Jung, billig und ein großes Geschäft

Eine Ausstellung in Leipzig vergewissert sich der Pop-Art, einer Kunst, die es hier nicht geben konnte.
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Beitrag in der Sächsischen Zeitung, 06.12.2012

„Ich bin für eine Kunst, die politisch-erotisch-mystisch ist, die etwas anderes tut, als im Museum auf ihrem Arsch zu sitzen …“, schrieb einer der bekanntesten Künstler der Pop Art, Claes Oldenburg, 1961. Und doch ist Pop inzwischen in fast allen Kunstmuseen dieser Welt zu finden. Auf Auktionen gibt es Rekorderlöse.Ein „Who’s Who“ der Pop Art bietet in Leipzig eine Ausstellung des Museums der bildenden Künste. Allerdings nicht mit Gemälden, sondern mit einer Auswahl von über 100 Grafiken aus den 60er- und 70er-Jahren – ausgeliehen aus dem Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, aus der umfangreichen Sammlung, die der Düsseldorfer Rechtsanwalt Heinz Beck dem Museum schenkte.Grafische Vervielfältigungs- und Reproduktionstechniken hatten eine Schlüsselfunktion in der Pop Art, wurden so programmatisch wie experimentierfreudig eingesetzt. Hohe Auflagen und serielle Variationen ermöglichten eine weite Verbreitung und richteten sich ausdrücklich gegen das elitäre, genialische Einzelbild.Die artige Präsentation in Leipzig vermag es nicht, die Stimmung und die Umbrüche jener Jahre aufzurufen. Zumal auch die Werke nicht mehr so wirken wie in der Zeit der Beatniks und der Hippies, als Elvis Presley, die Stones und die Beatles ein junges Publikum begeisterten, als Präsident Kennedy ermordet wurde und der Vietnamkrieg begann. Das, wogegen diese Kunst revoltierte, ist weg, und das, womit sie Aufmerksamkeit erreichen wollte und konnte, ist heute Alltag: Industrie, Medien und Kultur richten sich an der Masse aus.Pop Art ist westlich und, obwohl ihre Wurzeln in Großbritannien liegen, vor allem amerikanisch. New York und Los Angeles waren Zentren. Wer kennt sie nicht, die comic-artigen, trivialen Szenen mit den vergrößerten Rasterpunkten von Roy Lichtenstein? Oder Robert Indianas Schriftbild „Love“, die Pin-up-Girls mit Cola-Flasche von Mel Ramos, die plakativ entblößten Frauenkörper von Tom Wesselmann. Und natürlich Andy Warhol, der Suppendosen ins Bild setzte und Stars wie Marilyn Monroe vielfarbig vervielfältigte. Pop war maskulin. Viele dieser Künstler waren ausgebildete Gebrauchsgrafiker und nutzten die erlernten werbewirksamen Mittel. „Pop Art ist: Populär (entworfen für ein Massenpublikum), vergänglich (kurzlebig), verbrauchbar (schnell vergessen), billig, Massenprodukt, jung (für die Jugend bestimmt), witzig, sexy, trickreich, glamourös, großes Geschäft“, bringt es der britische Pop-Art-Pionier Richard Hamilton auf den Punkt.Dass mehr als die bekannten Namen vertreten sind, ist ein Plus der Schau, die auch „Resonanzen in der BRD“ vergegenwärtigt: Politisch bei KP Brehmer, Wolf Vostell und Klaus Staeck, sexuell bei Thomas Bayrle, unscharf bei Gerhard Richter, entmystifiziert bei Sigmar Polke.„Leben mit Pop!“ – der Titel der Leipziger Ausstellung zitiert eine legendäre Aktion von Gerhard Richter und Konrad Lueg. Sie luden 1963 in ein Düsseldorfer Möbelhaus zur „Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ ein. Ausstellungsstücke waren die piefigen Möbel und die Künstler, die auf ihnen Platz genommen hatten. Stars waren sie da noch nicht.„A Star Is Born – Fotografie und Rock seit Elvis“ heißt eine weitere Ausstellung, die zeigt, wie sich Stars der Popmusik in Szene setzten und setzen ließen.

Bis 13. Januar 2013 im Museum der bildenden Künste Leipzig

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